Zuletzt geändert am 18. Juli 2022 von Sonja

Geologie – da geht es um Steine, oder?

Das werde ich oft gefragt, wenn ich sage, dass ich Geologin bin.
Ja, das stimmt. Ich habe im Studium viel über Steine gelernt. Über Minerale, auch über Edelsteine (das aber nur am Rande). Und noch mehr über Gesteine. Gesteine, nicht nur Steine. Steine nennen wir eine bestimmte Größe, größer als Kieselsteine, aber noch keine Blöcke. Das ist nicht weiter spannend. Gestein ist der Fachbegriff für die Art des Steins, den Du vor Dir hast.

Aber warum sollte es spannend sein, die Art des Gesteins zu erkennen? Dafür gibt es viele Gründe, und über diese erzähle ich Dir hier.

Gesteine erzählen Geschichten

Mit etwas Wissen kannst Du erkennen, wie das Gestein entstanden ist und was es seither alles „erlebt“ hat. Letztlich erzählen die Gesteine die Geschichte der Natur.

Magma

Ist das Gestein aus Schmelze entstanden, die sich tief unten in der Erde gebildet hat? Den Fachbegriff für diese Schmelze hast Du wahrscheinlich schon mal gehört: Magma (griechisch für „geknetete Masse“).

Vielleicht kannst Du sogar Kristalle erkennen, die aus dieser Schmelze auskristallisierten? Sind sie alle etwa gleich groß, mehrere Millimeter? Dann ist die Schmelze in der Tiefe wieder erstarrt. Also mehrere Kilometer unter der Erdoberfläche.Bestimmt hast Du schon von Granit gehört. Der entsteht auf diese Weise.

Wie ist er dann an die Erdoberfläche gekommen? Hat er sich auf dem Weg dorthin verändert? Was ist an der Erdoberfläche geschehen, ist das Gestein verwittert?

Dies können Geologen erkennen. Wir haben gelernt, diese Geschichten zu verstehen.

Lava

Wenn Magma noch als Gesteinsschmelze an die Erdoberfläche gelangt, und erst dort erstarrt, entsteht Lava. Hast Du wahrscheinlich auch schon mal gehört. Eine Stelle, an der Lava aus dem Boden kommt, nennen wir Vulkan. Kennst Du auch.

Erkennst Du in Lava-Gestein alle einzelnen Kristalle? Eher nicht. Lava erstarrt so schnell, dass die sich bildenden Kristalle winzig klein sind. Ohne Mikroskop kannst du sie nicht erkennen. Manchmal sind vielleicht einzelne Kristalle in einer sonst einheitlichen Masse erkennbar. Diese „erzählen“ dann noch aus der Zeit, als das Magma unter der Erdoberfläche war und sich eben einzelne Kristalle bilden konnten.

Auch diese Geschichte können Geologen verstehen.

Abtragung und Ablagerung

Gesteine entstehen aber nicht nur direkt aus Magma. Die meisten Gesteine, die Du an der Erdoberfläche siehst, bestehen aus vielen kleinen Körnchen. Diese wurden von früheren Gesteinen abgetragen und wieder neu zusammengesetzt.

Beispielsweise wurden sie in einem Fluss vom Wasser transportiert und sind dann an einer Stelle mit geringer Strömung liegengeblieben.

Die einzelnen Körnchen können mit bloßem Auge erkennbar sein. Oder mit einer Lupe. Oder nur mit dem Mikroskop.

In den meisten Fällen können wir aber noch herausfinden, welche früheren Gesteine abgetragen wurden. War dies vielleicht Lava? Falls ja, was für eine Art von Vulkan war es? Wo war dieser Vulkan? Oder waren es andere Gesteine, die wiederum eine Geschichte „erzählen“, die wir „hören“ und verstehen können?

 

 

Umwandlung

Das Gestein kann aber auch noch ganz anderes „erlebt“ haben.

Vielleicht war es ursprünglich ein anderes Gestein, das in größere Tiefe gelangte und durch die dort herrschende hohe Temperatur und den hohen Druck umgewandelt wurde?

Später gelangte es wieder näher an die Erdoberfläche, sodass wir es heute finden und anschauen können. 

Veränderte es sich dabei wieder? 

Geschichten der Gesteine

Die Geschichten, die Gesteine erzählen, können sehr kurz sein. Ständig entstehen ja neue Gesteine. Sie können aber auch sehr, sehr lange sein. Viele Millionen Jahre lang.

Manche sind einfach zu verstehen, Erstarrung aus Schmelze, fertig.

Manche sind aber auch unglaublich kompliziert. Erstarrung aus Schmelze, Abtragung, Ablagerung, Umwandlung in der Tiefe, Umwandlung nahe der Erdoberfläche, Verwitterung… Vielleicht sogar noch mehrere Wiederholungen?

Das zu erkennen, ist nicht unbedingt immer einfach. Aber dafür studieren Geologen ja auch mehrere Jahre. 

 

Gut und schön. Gesteine erzählen Geschichten. Die können spannend sein.

Aber haben sie irgendeine Relevanz?

Geschichte der Natur

Die Geschichte der Natur zu verstehen, hat durchaus eine Bedeutung für unser Leben. Bestimmt kennst Du die Diskussion über den (menschengemachten) Klimawandel. Ohne Wissen darüber, wie das Klima im Lauf der Erdgeschichte war und wie es sich immer wieder verändert hat, könnten wir gar nichts darüber wissen, ob diese Vorgänge heute irgendwie anders ablaufen als in der Vergangenheit.

Klimaveränderungen

Ohne Wissen über die natürlichen Zusammenhänge könnten wir gar nicht wissen, ob der Mensch heute irgendwie zur Veränderung des Klimas beiträgt.

Und genau das erzählen uns die Gesteine.

Weiter oben habe ich erwähnt, dass die Körnchen von einem Fluss transportiert worden sein können. Wenn wir dafür Hinweise haben, wissen wir, dass es da zu dieser Zeit einen Fluss gegeben haben muss.

Oder wir sehen, dass die Körnchen durch Wind transportiert wurden, dass sie einer Düne vorkommen, die einer Wüste war. Es muss also trockenes Klima vorgeherrscht haben.

Kleine Details in der Zusammensetzung der Gesteine können Geologen noch mehr darüber erzählen. Das würde hier jedoch zu weit führen.

 

 

Sedimentstrukturen im Buntsandstein (hier in Reinhausen bei Göttingen) erzählen von seiner Ablagerung in Flüssen

Fossilien

In Gesteinen finden wir aber auch Überreste früherer Lebewesen. Von solchen Fossilien hast Du bestimmt auch schon mal gehört. Die sind nicht nur für Sammler interessant. Fossilien „erzählen“ auch davon, wie die Tiere oder Pflanzen in längst vergangener Zeit gelebt haben. Auch sie geben Hinweise auf das damalige Klima oder aber auf die Verteilung von Land und Meer.

Finden wir beispielsweise eine Tierart nur in Gesteinen bestimmten Alters? Finden wir sie in den jüngeren Gesteinen „schlagartig“ nicht mehr? Und das nicht nur an einem Ort, sondern weltweit? Dann ist diese Tierart vermutlich damals ausgestorben.

Warum? Waren Vulkanausbrüche schuld? Oder der Einschlag eines Meteoriten? Oder ganz andere Veränderungen der Welt oder des Klimas? Fragen können wir sie nicht mehr. Aber die Gesteine können es uns erzählen.

Vergangenheit und Zukunft

Auch wenn es nicht immer eindeutig ist, wir können eine Menge über die vergangene Zeit lernen. Und daraus durchaus auch Schlüsse auf die Zukunft ziehen.

Könnte die Menschheit den Einschlag eines großen Meteoriten überleben?

Wie würden wir auf einen richtig großen Vulkanausbruch reagieren?

Wir könnten nur spekulieren, wenn wir nicht Informationen aus Gesteinen über derartige Ereignisse in der Vergangenheit hätten.

Typische Kissenlava (beachte die rundlichen Strukturen in der unteren Bildhälfte), die unter Wasser entsteht – hier am damaligen Grunde des Atlantiks – heute in Island an Land zu betrachten.

Lage der Kontinente

Die Gesteine erzählen uns auch, an welcher Stelle auf dem Globus sie sich zu welcher Zeit im Lauf der Erdgeschichte befanden.

Bestimmt hast Du schon davon gehört, dass die Kontinente nicht schon immer so waren, wie sie heute sind. Dass sie sich im Lauf der Erdgeschichte immer wieder bewegten, auch messbar heute noch – etwa so schnell wie unsere Fingernägel oder unsere Haare wachsen. Dabei bewegten sie sich voneinander weg, bewegten sie sich aufeinander zu. Oder zerbrachen sogar in kleinere Stücke, die später anders wieder zusammengeschoben wurden.

Aber war ein bestimmter Ort zu einer bestimmten Zeit in der Nähe eines der Pole? Oder in Äquatornähe? Ganz in der Nähe eines heute benachbarten Ortes oder ganz weit entfernt davon?

Dies können die Gesteine erzählen.

 

Frühere und heutige Kontinente

Wusstest Du beispielsweise, dass das heutige Norddeutschland und das heutige Süddeutschland vor mehr als 300 Millionen Jahren auf verschiedenen Kontinenten lagen, mit einem Ozean dazwischen?

Vom heutigen Österreich und der Schweiz waren damals nur kleine Teile vorhanden, das meiste entstand erst viel später, während der Ablagerung der Gesteine der Alpen in einem Meer und der Bildung der Alpen als Hochgebirge… 

Das war tatsächlich so. Es ist aus geologischen Untersuchungen bekannt.

Zwar ist nicht jedes Detail darüber bekannt, wie es zur Entstehung der heutigen Landschaft und der Verteilung der Gesteine an der Erdoberfläche und im Untergrund kam. Aber doch schon eine ganze Menge.

Und ständig kommt neues Wissen dazu. Durch geologische Untersuchungen.

Ist Dir das nicht relevant genug?

Möchtest Du ein Beispiel aus dem heutigen Leben, nicht nur über Ereignisse, die lange her sind oder vielleicht in der Zukunft einmal geschehen könnten?

Gut.

 

Grundwasser

Was wir alle zum Leben brauchen ist Wasser. Sauberes Wasser. Am besten eignet sich da Grundwasser. Das ist durch Gesteine geflossen, am besten Jahrtausende lang, und entsprechend gefiltert. Krankmachende Keime kommen darin in der Regel nicht vor.

Aber wie finden wir dieses Grundwasser? Es kommt in den Hohlräumen zwischen Kristallen oder Gesteinskörnchen vor. Meist sind diese Hohlräume winzig klein. Aber es kann in manchen Gesteinen gut fließen. Und an manchen Stellen können wir es gut finden und anzapfen.

Wünschelruten helfen dabei nicht zuverlässig. Wissen über die hydraulischen Eigenschaften der Gesteine, also darüber, worin das Wasser gut fließen kann, helfen schon eher. So können wir wissen, an welcher Stelle es sich lohnen könnte, zu bohren. Und wie tief wir bohren müssen, um auf ausreichende Wassermengen zu stoßen.

Noch einfacher ist es natürlich, wenn wir eine Quelle finden.

Wo aber treten Quellen auf? Das ist nicht zufällig. Es sind immer Stellen, an denen Gesteine eng begrenzt an die Erdoberfläche kommen, in denen Wasser gut fließen kann.

Und Geologen haben gelernt, solche Stellen zu finden.

 

Andere Rohstoffe

Wir brauchen aber nicht nur Wasser. Wir brauchen auch andere Rohstoffe.

Wir brauchen beispielsweise jede Menge verschiedene Metalle. Hier an irgendeiner beliebigen Stelle anzufangen, nach Erzen zu graben, hat keinen Sinn. Das leuchtet ein, nicht wahr?

Auch hier sind geologische Untersuchungen hilfreich. Geologen haben gelernt, wie Erze entstehen, und wo es sinnvoll ist, nach ihnen zu suchen. Und wenn ein Vorkommen gefunden ist, wissen Geologen (und Mineralogen) auch, wie es weiter zu erkunden ist, damit es möglichst vollständig abgebaut werden kann.

In Deinem Leben spielen auch viele andere Rohstoffe tagtäglich eine Rolle. Du wohnst wahrscheinlich in einem Haus aus Stein. Nicht unbedingt aus Naturstein. Aber auch Ziegelsteine oder Beton sind letztlich aus natürlichen Gesteinen neu zusammengesetzt.

Du gehst über Straßen. Der Untergrund der Straßen ist aus Schotter. Nicht alle Gesteine eignen sich als Schotter, das leuchtet Dir bestimmt ein. Es gilt also, die Gesteine zu finden, die am besten dafür geeignet sind. Und zwar dort, wo sie auch abgebaut werden können.

Und dann nur die benötigten Gesteine abzubauen. Dies ist wirtschaftlicher. Und umweltfreundlicher.

Die Decke der Straßen ist meist aus Asphalt. Asphalt enthält neben Gesteinskörnchen auch Bestandteile von Erdöl.

Aus Erdöl werden auch die meisten Kunststoffe hergestellt. Und damit sogar Kleidung. Und natürlich auch Kraftstoffe, mit denen noch immer die meisten Autos fahren oder Heizöl, mit dem viele Häuser beheizt werden.

Wie Grundwasser ist Erdöl eine Flüssigkeit, die durch Gesteine fließt. Aber auch das Erdöl kommt nicht in jedem Gestein vor. Es sind ganz bestimmte Bedingungen für die Entstehung von Erdöl aus kleinen Organismen nötig.

Und meistens finden wir es noch nicht einmal in dem Gestein, in dem es entstanden ist. Sondern vielmehr in einem anderen Gestein, in das das Erdöl erst nach seiner Entstehung gelangt ist. In welches es gut hineinfließen konnte, aus dem es aber nicht wieder herauskonnte. Und zu heiß darf es dem Erdöl auch nicht geworden sein, sonst wäre es schon wieder zerstört worden…

Um Erdöl zu finden, ist eine Menge an geologischer (und geophysikalischer) Untersuchungen nötig. Mit Erdgas ist es ähnlich.

 

Energie

Womit wir schon beim Thema Energie wären. Erdöl und Erdgas, aber auch Kohle spielen als Energierohstoffe noch immer eine große Rolle. Auch für Kernkraftwerke werden Rohstoffe benötigt. Uranerze.

Und wer weiß, wo diese am besten zu finden sind? Wie sie zu erkunden sind, damit sie am besten abgebaut werden können?

Richtig. Geologen.

Aber auch für die sogenannten Erneuerbaren Energien (die wesentlich sinnvoller und zukunftsträchtiger sind als die bereits genannten Energieträger) sind Geologen wichtig. Für Biomasse wohl kaum (abgesehen davon, dass der Boden natürlich auch bestimmt, welche Pflanzen gut wachsen können). Aber für Solarzellen wird hochwertiges Silizium benötigt. Dies wird aus Quarzsand gewonnen. Welcher wiederum gefunden und erkundet werden muss. Windräder sollten nicht allzu leicht umfallen. Dafür müssen sie stabil stehen.

Und wer kennt sich mit dem Bauuntergrund und dessen Untersuchung aus? Eben.

Stabiler Untergrund

Dass der Untergrund stabil sein muss, gilt im Übrigen auch für andere Bauwerke. Bei größeren Gebäuden ist eine geologische Erkundung des Untergrunds unumgänglich. Und erst recht bei Brücken, Staudämmen, Tunneln…

Der Geysir Strokkur in Island gilt als Paradebeispiel für eine natürliche heiße Quelle. An vielen anderen Stellen muss gebohrt werden, um diese geothermische Energie nutzen zu können.

Geothermie

Zurück zum Thema Energie. Besonders wichtig sind geologische Untersuchungen für die sogenannte Erdwärme, auch Geothermie genannt. Dabei wird Grundwasser (durchaus auch aus größerer Tiefe) gewonnen, das sich beim Fließen durch Gesteine erwärmt hat. Umso tiefer es in der Erde fließt, desto wärmer ist es.

Aber wie auch das Grundwasser, aus dem wir Trinkwasser gewinnen, fließt auch das Thermalwasser als heißes, tiefes Grundwasser, nicht durch alle Gesteine gleich gut hindurch.

Auch hier gilt es, die Stellen zu finden, an denen es besonders gut gefördert werden kann. Auch hier ist es nicht sinnvoll, einfach irgendwo zu bohren.

Ganz im Gegenteil, es sind besondere geologische Untersuchungen notwendig.

Die sich aber lohnen.

 

Es gibt also viele Beispiele, warum Geologie für Dein Leben eine Rolle spielt.

Geologie ist relevant für uns alle!

Noch einmal kurz zusammengefasst, und mit ein paar Fachbegriffen angereichert.

Geologie wird klassischerweise in drei Teilbereiche gegliedert:

  • Die Allgemeine Geologie beschäftigt sich mit den Prozessen an der Erdoberfläche und in der sogenannten Lithosphäre (der festen Gesteinshülle der Erde, also in den obersten wenigen Zehnerkilometern). Es geht um die Entstehung der Gesteine, von Gebirgen, Rohstoffen…
  • Die Historische Geologie untersucht die Erdgeschichte. Dabei spielen Fossilien eine Rolle. Aber auch Untersuchungen der Gesteine selbst. Aus diesen ist nicht nur das Alter der Gesteine bekannt, sondern auch beispielsweise das damalige Klima. Es geht also um die Entwicklung der Natur, die uns die Gesteine erzählen.
  • Die Angewandte Geologie wiederum ist für die Erkundung zuständig. Hier geht es um die Standsicherheit von Bauwerken, aber auch das Auffinden von Rohstoffen oder Wasser.

Damit bietet die Geologie viele spannende Themen, die verschiedenste Bereiche unseres Lebens berühren.

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