Zuletzt geändert am 18. Juli 2022 von Sonja

In diesem Beitrag zur Blogparade “Meine Wurzeln” von Sandra Wickert erzähle ich Dir von meinem Heimatort Neustadt an der Aisch in Mittelfranken und wie mich dieser und die Geologie dieser Region geprägt haben.

Was wäre wenn?

Kürzlich wurde ich in meiner Facebook-Gruppe “Geologie verstehen” gefragt, ob ich vor rund 200 Jahren zu den Neptunisten oder den Plutonisten gehört hätte. (Der “Neptunisten-Plutonisten-Streit” war eine langwierige Auseinandersetzung der damals in Europa führenden Geologen. Die Neptunisten waren der Meinung, dass alle Gesteine durch Ablagerung im Wasser entstehen. Die Plutonisten hingegen vertraten die Ansicht, die Gesteine seien letztlich alle vulkanischen Ursprungs).

Ich habe also überlegt, welche Ansicht ich vermutlich vertreten hätte. Und da spielt natürlich eine große Rolle, wie ich durch eigenes Erleben geprägt wurde. Sprich, ob ich jemals Vulkane gesehen hatte. Oder gesehen hatte wie Sedimente aus Wasser abgelagert werden. Da entdeckte ich etwa zeitgleich die Blogparade “Meine Wurzeln” und entschied mich, dieser Frage in diesem Zusammenhang weiter nachzugehen.

Teil der Neustädter Stadtmauer mit dem Schneider als Geißbock, der der Legende nach einst die Stadt gerettet hat. 

 

Geboren und aufgewachsen in Neustadt an der Aisch

Die ersten 19 Jahre meines Lebens verbrachte ich in der mittelfränkischen Kleinstadt (immerhin aber Kreisstadt) Neustadt an der Aisch.  Touristen kommen meist wegen Neustadts zentraler Lage in “Frankens gemütlicher Ecke” hin. Aber auch Neustadts Altstadt mit den Markgrafenschlössern, dem Nürnberger Tor, einem Teil der Stadtmauer und Türmen ist sehenswert. Das “Waldbad” ist weithin als eines der schönsten Freibäder der Region bekannt.

Ich wurde im Neustädter Krankenhaus geboren, besuchte die Grundschule “Neues Schloss” (in einem Markgrafenschloss) und das nach einem Markgrafen benannte Friedrich-Alexander-Gymnasium  (in einem 70er Jahre Betonklotz, während meiner Schulzeit viel hässlicher als heute). Meine Eltern leben noch dort, Geschwister und Freunde in der Nähe, und so bin ich immer noch mehrmals im Jahr dort.

 

Schon als Kind habe ich mich sehr für die Natur und auch für Naturwissenschaften interessiert. Ich war immer gerne draußen, egal ob bei uns im Garten, im Stadtpark oder anderswo. Am Strahlbach im Stadtpark habe ich stundenlang mit anderen Dämme gebaut. Und auch beobachtet, wie der Bach Blätter und Stöcke transportiert. Oder auch den sandigen Boden am Bach bewegt. Da konnte ich also sehen, dass Gesteine durch Ablagerung im Wasser entstehen können. Auch fiel mir auf, dass der Boden in unserem Garten anders beschaffen war als der im Stadtpark, sich fast wie der Ton im Werkunterricht kneten und verarbeiten ließ.

Geologie meiner Heimat

Tatsächlich handelt es sich bei den Gesteinen der Region um Sedimentgesteine, also solche, die durch Ablagerung entstanden sind. Sie wurden im Mittleren Keuper vor rund 230 Millionen Jahren im Germanischen Becken abgelagert. Damals war hier eine weite Ebene mit Flüssen, die immer wieder mal überflutet wurde und wieder trocken fiel.
Die tonigen Sedimente in unserem Garten werden in der modernen geologischen Nomenklatur zur “Steigerwald-Formation” gezählt. Neustadt liegt am Südrand des Steigerwalds, eine große alte Tongrube ist sogar die Typlokalität dieser Formation. Auf dem Bild siehst Du einen Teil dieses Aufschlusses am Neustädter Bahnhof. Hier wurden lange Zeit Tone abgebaut, um daraus Ziegel herzustellen. Als ich zur Schule ging, wurde diese Formation noch “Lehrbergschichten” genannt. Es sind überwiegend rotbraune Tonsteine, die etwas Karbonat und Sulfat enthalten. Die auch verwendete Bezeichnung “Rote Wand” ist eigentlich am Treffendsten. Insgesamt sind diese hier bis zu 30 m mächtig (“dick”). 

Aufschluss “Alte Ziegeleigrube” am Bahnhof Neustadt an der Aisch. Rotbraune Tone der Steigerwald-Formation (früher Lehrbergschichten genannt), Mittlerer Keuper.

Sandige Sedimente im Strahlbach, Stadtpark Neustadt an der Aisch. Sie werden heute abgelagert, entstehen aber aus den Sandsteinen des Keupers. 

Die sandigeren Sedimentgesteine im Stadtpark hießen früher “Blasensandstein” und zählen zur “Hassberge-Formation”. Es sind typische Flussablagerungen. 
Sie sind ein klein wenig jünger als die Steigerwald-Formation. Das ist daran zu erkennen, dass sie regelmäßig direkt darüber vorkommen. Dies ist in manchen Aufschlüssen oder auch in Bohrungen zu sehen. Die Schichten in der Region liegen nämlich fast völlig flach und sind nicht gefaltet und auch nur selten durch Verwerfungen verschoben. Die Gesteine wurden nacheinander übereinander abgelagert, und hier liegen sie auch heute noch so. Übrigens sind diese Sandsteine gute Grundwasserleiter, die Tonsteine darunter Grundwasserstauer. Gutes Mineralwasser kommt aus der Hochsteinquelle direkt aus diesem Sandstein. 

Die heutige Landschaft entstand erst sehr viel später. Erstmal wurde die Region noch durch das Jura-Kreide-Meer überflutet und noch viele zehner Meter mehr an Sedimenten abgelagert. Durch spätere Hebung wurde viel wieder erodiert, nicht nur entlang der heutigen Flussläufe. Während der Eiszeiten in den letzten zweieinhalb Millionen Jahren war die Region selbst nicht vergletschert. Es herrschte eher ein Klima wie in der heutigen Tundra in Sibirien mit langen Frostperioden und Boden, der auch im Sommer nur oberflächlich auftaut. Derartiges Klima verändert eine Region und prägt hier bis heute die Landschaft.

Aischgründer Spiegelkarpfen

Mein Heimatort Neustadt liegt an der Aisch. In diesen kleinen Fluss mündet auch der bereits erwähnte Strahlbach. Die Aisch selbst mündet wiederum in die Regnitz, welche in den Main mündet.
Im Aischgrund wird bereits seit über 1000 Jahren der “Aischgründer Spiegelkarpfen” gezüchtet. Dies in mehr als 7000 Weihern, die vor allem von Neustadt ab flussabwärts liegen. Ganz besonders gebacken ist der Spiegelkarpfen eine Köstlichkeit, die “in den Monaten mit R” in vielen Gaststätten serviert wird.
Meine Facharbeit im Leistungskurs Erdkunde hatte das Thema “Karpfenteichwirtschaft im Unteren Aischgrund”. Dies hatte zwar nicht allzu viel mit Geologie zu tun. Aber die besonderen naturräumlichen Gegegebenheiten des Aischgrunds (relativ hohe Jahresdurchschnittstemperatur bei recht geringen Niederschlägen) spielen für die Karpfenzucht eine große Rolle. Die Weiher sind in der niederschlagsarmen Gegend bedeutsam für die Wasserrückhaltung, aber auch für das Kleinklima. Und letztlich beeinflussen der Boden und damit auch die Gesteine im Untergrund ja auch die Weiher.

Der Bleichweiher vor den Toren der Stadtmauer in Neustadt an der Aisch. 

Wie mich die Region und ihre Geologie geprägt haben

Die leicht hügelige Landschaft hat mich sicher geprägt. Auch wenn ich Berge mag und gerne mal am Meer bin. Bis heute fühle ich mich in Regionen mit ähnlicher Landschaft wie der meiner Heimat am wohlsten.
“Besondere” Gesteine oder Minerale gab es bei uns nicht zu finden, die kannte ich nur von Urlaubsreisen oder aus dem Museum. Insofern haben nicht etwa irgendwelche geologischen Besonderheiten meiner Heimat schon früh den brennenden Wunsch hervorgerufen, Geologin zu werden.

Die Wilhelmstraße ist Neustadts “Hauptstraße”. Ganz im Hintergrund ist das Rathaus zu sehen. 

Vielmehr entstand mein Interesse für das Studienfach Geologie nach und nach. Neben Musik waren Biologie und Erdkunde immer meine Lieblingsfächer. In der achten Klasse habe ich mit ein paar Mitschülern und zwei Lehrern einen Umwelt-Arbeitskreis an der Schule gegründet. Nach dem Abitur wollte ich dann Geoökologie studieren – für mich die perfekte Kombination aus Biologie und Geowissenschaften – mit dem Ziel einer Arbeit im Umweltschutz. Da ich am Numerus clausus scheiterte, begann ich dann kurzfristig das Geologie-Studium und war dann so begeistert, dass ich bei dem Fach blieb.

Zurück zur Ausgangsfrage – Neptunistin oder Plutonistin?

Wie erwähnt, konnte ich beim Spielen am Bach beobachten, dass Gesteine durch Ablagerung entstehen können. Dies waren natürlich die heute abgelagerten Sande. Dass die Sand- und Tonsteine der Region ähnlich, nur schon vor langer, langer Zeit, entstanden waren, konnte ich nicht sehen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das jemals so erkannt hätte. Das habe ich eben in der Schule so gelernt. Es erschien mir aber plausibel – die Gesteine sahen ja ähnlich aus. Und letztlich entstehen die heute abgelagerten Sedimente aus den verwitterten alten Sedimentgesteinen. 

Vulkane gibt es hier jedoch keine. Die kannte ich nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern. Gesteinsentstehung durch Vulkanismus hätte ich mir also vermutlich gar nicht vorstellen können.
Daher gehe ich davon aus, dass ich damals eher zu den Neptunisten gehört hätte. Allerdings bin ich froh darüber, dass wir heute wesentlich mehr über die Entstehung von Gesteinen wissen – und ich mich da gar nicht mehr entscheiden muss. Bleibe aber auch gespannt, welche geologischen Fragestellungen sich noch zu meinen Lebzeiten klären werden.

 

Was meinst Du, hättest Du damals zu den Plutonisten oder den Neptunisten gehört?

Erzähl es mir in den Kommentaren!