Zuletzt geändert am 18. Juli 2022 von Sonja
Warum ist Island geologisch ganz besonders faszinierend?
Urlaub in Island ist beliebt. Kein Wunder, die Landschaft Islands ist wunderschön. Dies habe ich auf mehreren Reisen nach Island selbst erlebt.
Island ist aber auch geologisch ganz besonders faszinierend! Dies weiß ich nicht zuletzt durch die deutsche Bearbeitung des Sachbuchs “Die faszinierende Geologie von Islands Südwesten”.
Wusstest Du, dass Island das weltweit einzige Beispiel einer größeren Landmasse auf der Grenze zweier tektonischer Platten ist, die sich auseinander bewegen? Das ist Drama pur! Warum das Drama bedeutet, dazu hole ich jetzt etwas weiter aus und nehme Dich mit ins Innere der Erde und unsere spannende Erdgeschichte.
Schalenbau der Erde mit der Lithosphäre (ergänzt nach Mats Halldin: Jordens inre/ Wikimedia Commons/ CC BY-SA 3.0)
Blick ins Innere der Erde
Die Erde wird gemeinhin als aus verschiedenen Schalen aufgebaut dargestellt. Die äußerste Schale ist die Erdkruste, darunter folgt der Erdmantel, schließlich der Erdkern. Diese Schalen haben chemisch und mineralogisch unterschiedliche Zusammensetzung. Für die Bewegung der tektonischen Platten relevant ist jedoch das mechanische Verhalten der äußeren Schalen. Die mechanischen Grenzen fallen nicht mit den chemisch-mineralogischen Grenzen zusammen.
Die mechanisch gesehen äußerste Schicht der Erde aus festem Gestein wird von Geowissenschaftlern als Lithosphäre bezeichnet. Dies ist die Erdkruste sowie der äußere, feste Teil des Erdmantels. Die Erdkruste hat eine andere Mineralzusammensetzung als der Erdmantel, dies ist aber für das mechanische Verhalten nur von untergeordneter Bedeutung. Wichtig ist jedoch das unterschiedliche Verhalten von Lithosphäre und dem Erdmantel darunter.
Die Lithosphäre ist im Schnitt 100 Kilometer dick und besteht aus sieben großen und einigen kleineren tektonischen Platten (auch Lithosphärenplatten genannt) – wie viele genau ist Definitionssache.
Das Wesentliche bisher zur Wiederholung:
Die Lithosphäre umfasst die Erdkruste und den äußeren, festen Bereich des Erdmantels. Die Lithosphäre besteht aus tektonischen Platten.
Lithosphäre, Asthenosphäre und Konvektion im Erdmantel – Wärmetransport durch Massentransport wie in einem Kochtopf (heißes Material ist spezifisch leichter und steigt auf, nach Abkühlung ist es wieder schwerer und sinkt ab)
Bewegung im Erdinneren
Für die Bewegung der tektonischen Platten wichtig ist das unterschiedliche mechanische Verhalten von Lithosphäre und dem Bereich des Erdmantels darunter, der als Asthenosphäre bezeichnet wird.
Die Asthenosphäre ist der Bereich des Erdmantels, der zum Teil aufgeschmolzen ist und dadurch viel weicher ist als die Lithosphäre.
Die Lithosphärenplatten bewegen sich über die Asthenosphäre. Sie „schwimmen“ jedoch nicht. Vielmehr ist ist nur ein kleiner Teil der Asthenosphäre flüssig, nur etwa 1%, nur in kleinen Regionen gibt es tatsächlich flüssiges Gestein (Magma). Vielmehr bewegt sich auch die Asthenosphäre sowie der Erdmantel darunter (angedeutet durch Pfeile in der Abbildung).
Das Wesentliche bisher zur Wiederholung:
Die Lithosphäre ist die feste Gesteinshülle der Erde. Sie bewegt sich gemeinsam mit der teilflüssigen Asthenosphäre darunter.
Bewegung der tektonischen Platten
Besonders deutlich wird die Bewegung von Lithosphäre und Asthenosphäre an den Grenzen der tektonischen Platten. An manchen solchen Plattengrenzen bewegen sich Platten schlicht aneinander vorbei. An anderen sinkt die dichtere (spezifisch schwerere) Platte unter die andere ab, dabei bewegen sich die Platten aufeinander zu. Daneben gibt es auch Plattengrenzen, an denen sich Platten auseinander bewegen: die Mittelozeanischen Rücken. Diese Auseinanderbewegung führt zu Aufstieg von geschmolzenem Gestein aus dem Erdmantel, das heißt der Bildung von Magma – was wiederum die Platten auseinander schiebt.
Typische Strukturen an einem Mittelozeanischen Rücken, vereinfacht (eigene Darstellung)
Die längste Bergkette der Welt
Das System der Mittelozeanischen Rücken (MOR) erstreckt sich in mehreren Abschnitten über alle Weltmeere. Zusammengenommen ist es die längste Bergkette der Welt mit einer Gesamtlänge von etwa 70 tausend Kilometern!
Der Abschnitt des MOR, auf dem Island liegt, heißt Mittelatlantischer Rücken. Er bewegt sich etwa ein bis vier Zentimeter pro Jahr auseinander – etwa der Geschwindigkeit mit der unsere Fingernägel wachsen. Die Lage auf dem MOR führt zu typischen Strukturen wie Vulkanen und offenen Spalten.
Fast überall auf der Erde befinden sich die MOR unter Wasser. In Island aber an Land.
Warum das so ist, erfährst Du im nächsten Abschnitt.
Island – Land auf einem Mittelozeanischen Rücken
Island verdankt seine Existenz einem Manteldiapir. Ein Manteldiapir ist wörtlich “etwas, das den Erdmantel durchdringt. Es handelt sich um einen zylinderförmigen Körper heißen Mantelgesteins – deutlich heißer als der restliche Erdmantel – mit 200 bis 300 km Durchmesser. An oder nahe der Erdoberfläche führt dies zu einem sogenanntem Hot Spot – in Island zu einer abnormal heißen Schicht unter dem ganzen Land in etwa 10 km Tiefe. Hier ist das Gestein teilweise geschmolzen: Das heißt, es gibt hier mehrere Prozent Gesteinsschmelze = Magma. Dies spiegelt sich in starkem Vulkanismus wider.
Einen solchen Manteldiapir/Hot Spot gibt es beispielsweise auch unter Hawaii. Insgesamt gibt es etwa 50 auf der Welt.
Das Zusammentreffen von MOR und Hot Spot in Island ist wohl zufällig, macht aber Island geologisch einzigartig.
Das Wesentliche bisher zur Wiederholung:
Island ist geologisch einzigartig, weil es weltweit das einzige Beispiel einer größeren Landmasse direkt auf der Grenze zweier tektonischer (Lithosphären-)Platten ist, die sich auseinander bewegen: einem Mittelozeanischen Rücken.
Dies kommt daher, weil sich unter Island ein Manteldiapir/Hot Spot befindet, der für stärkere Magmabildung und Vulkanismus sorgt.
Ein solcher Hot Spot ist relativ ortsfest, bewegt sich also in geologischen Zeiträumen (damit meine ich zehner Millionen Jahre) kaum. Warum dies so ist, ist nicht ganz geklärt. Was dieser Hot Spot jedoch für die geologische Entwicklung Islands bedeutet, erfährst Du im nächsten Abschnitt.
Geologische Entwicklung Islands
Aus der geologischen Erkundung Islands ist klar, dass sich der MOR relativ zum Hot Spot bewegt haben muss. Dies weiß man unter anderem daher, dass der Chemismus der vulkanischen Gesteine teilweise so ist wie für MOR typisch, teilweise so wie für Hot Spot-Vulkanismus typisch.
Schema des Manteldiapirs unter Island mit Oberflächengesteinen (siehe nächste Abbildung)
Vor etwa 25 Millionen Jahren gelangte der MOR wohl zufällig genau auf den Hot Spot: Island begann zu entstehen. Während sich vor rund 15 Millionen Jahren eher der Westteil der heutigen Insel über dem Hot Spot befand, liegt das Zentrum des Hot Spot heute eher im Osten (unter dem Vatnajökull).
Wie sich der MOR auf die Verteilung der Gesteine an der Oberfläche Islands auswirkt, erfährst Du im nächsten Abschnitt.
Islands Gesteine
Die Gesteine Islands sind – dies wird Dich mittlerweile wohl nicht überraschen – vor allem vulkanische Gesteine, überwiegend Lava. Am häufigsten sind Basalte. Die ältesten Basalte, die heute an der Erdoberfläche zu finden sind, sind 14 -16 Millionen Jahre alt. Sie befinden sich ganz im Nordwesten der Insel.
Zum Landesinneren hin nimmt das Alter der Laven ab. Warum?
Im Landesinneren liegen die aktiven Vulkanzonen (treffender noch ist die Bezeichnung „aktive vulkanische Riftzonen“. Diese entsprechen dem Mittelozeanischen Rücken im Meer. Quer dazu wird Island auseinander gezogen, etwa zwei Zentimeter pro Jahr. Hier entsteht ständig neues Gestein – und schiebt die älteren Gesteine weg. Deswegen sind die ältesten Gesteine heute weit weg von den Riftzonen zu finden. Die jüngsten Vulkane befinden sich im Bereich der Riftzonen.
Das Wesentliche aus dem letzten Abschnitt zur Wiederholung:
Die Gesteine an Islands Oberfläche sind überwiegend geologisch gesehen sehr junge Basaltlaven. Zum Landesinneren hin werden die Gesteine immer jünger.
Vereinfachte geologische Karte von Island (nach Gudmundsson, A.T. & Kjartansson, H. 1996: Land im Werden).
Weiß: Gletscher
Dunkelbraun: nacheiszeitliche Sander (Schotter)
Braun: Gesteine, die weniger als 0,8 Millionen Jahre alt sind = Aktive vulkanische Riftzone
Hellbraun: Gesteine, die 0,8 bis 3,1 Millionen Jahre alt sind
Blassgelb: Gesteine, die älter als 3,1 Millionen Jahre alt sind
Auf der Karte fällt Dir bestimmt auf, dass es im Süden Islands zwei Riftzonen gibt. Es ist also eigentlich sogar noch ein wenig komplizierter…
Komm doch mal mit mir nach Island und erfahre mehr!
danke, liebe Sonja für deine Erläuterungen, die ich zur Ergänzung meines kleinen Vortrags bei meinen Geologenfreunden über eine Inselrundreise gern verwenden werde. Du bist mir hoffentlich nicht böse, wenn ich deinen Diapir mit dem (vielleicht!!!) etwas mehr verwendeten Plume ersetze. So dies falsch sei, würde ich dich um ein kurzes Feedback bitten.
Dir/euch allen auf dieser spannenden, schönen Insel weiterhin alles erdenklich Gute und viele neue Erkenntnisse (und weiterhin spektakuläre Bilder, z.B., vom Fagradalsfjall). Euer Jürgen Haase
Danke, Jürgen, vom Fagradalsfjall habe ich (bisher) leider nur völlig verregnete Bilder… Aber vielleicht wird’s ja nächsten Sommer besser.
Plume ist nicht falsch und wird auch von vielen auch im Deutschen verwendet. Mir persönlich sind die (bereits seit längerem im Deutschen etablierten) altgriechischen Begriffe meist lieber. Ist letztlich Geschmackssache. Viel Spaß und Erfolg mit dem Vortrag wünscht
Sonja
Habe ich das richtig verstanden, dass der Hotspot durch die “Spalte” des mittelatlantischen Rückens Magma pumpt und dadurch die Insel entstanden ist? Grüße Andi
Lieber Andi, vereinfacht kann man das so sagen, ja. Viele Grüße Sonja
Hallo Sonja, ich habe eine Frage bezüglich des Hot Spots, der unter dem Vatnajökull liegt: Inwiefern hat er damit zu tun, dass sich Island jedes Jahr verbreitert? Und… Wie kann man sehen, dass sich Island jedes Jahr verbreitert?
Ich bin gerade dabei eine Präsentation zu diesem Thema vorzubereiten und blicke noch nicht zu 100% durch…
Viele Grüße
Ole
Lieber Ole, leider sehe ich das gerade erst – die Präsentation war vermutlich schon – dies tut mir leid. Aber dennoch: der Hot Spot fällt wohl nur zufällig mit dem Mittelatlantischen Rücken (der Spreizungszone) zusammen, die Island “auseinanderzieht”. Dies kann man mit geodätischen Messungen (heutzutage auch mit GPS) messen. Die beiden Platten entfernen sich pro Jahr ca. 2 cm voneinander. Die lokal gemessene Bewegung erfolgt jedoch nicht so kontinuierlich, eher ruckartig unregelmäßig.
Viele Grüße, Sonja
Hallo Sonja, kann man annehmen,dass der Riftverlauf ein overlapping spreading Center ist? Ich denke das immer,wenn ich eine geologische Karte von Island sehe.
Hallo Monika, durch die dickere Kruste sind die Verhältnisse im Detail etwas anders, aber im Prinzip ist es vergleichbar, ja. Viele Grüße, Sonja